Star-Architekt Bjarke Ingels

Photo – Wettbewerbsentwurf für S.Pellegrino Flagship Factory in Bergamo Italien, BIG 2017

Bjarke Ingels erzählt Geschichten – mit den Mitteln der Architektur

Man möchte nicht in der Haut von Bjarke Ingels’ Schullehrern gesteckt haben: Denn man kann sich schon vorstellen, wie der geniale Architekt mit den wirren Haaren und dem schelmischen Grinsen schon damals als Kind einfach nicht stillsitzen konnte. Der 42-jährige ist immer in Bewegung, trägt unter dem Sakko am liebsten sportliche T-Shirts und lebt nach dem Motto „Yes is more“. Und diese optimistische, lebensnahe Art ist es auch, die ihn von anderen Star-Architekten abhebt. Als Bjarke Ingels, der unter anderem auch an verschiedenen Universitäten lehrt und in der Netflix-Serie „Abstract: The Art of Design“ mitspielt, zuletzt zum Thema Architektur befragt wurde, sagte er geradeheraus was er dachte – ganz ohne ein Fremdwort, Verweise auf die Historie oder eine technologische Innovation. Er mag es nicht, wenn man verschlüsselt oder verkopft spricht, sagt der Däne. Jeder soll ihn und seine Arbeit verstehen können.

 

Bauauftrag in New York City

Dazu passt auch, dass der Kopenhagener Architekt als Mann erster Wahl zählt, wenn es um soziale Bauprojekte oder urbane Bauten geht. So wie das „Lego House“, welches das Team von BIG (Bjarke Ingels Group) gerade im dänischen Billund realisiert. Während andere vielleicht einen kunterbunten, irre hohen Turm errichtet hätten, haben die Kreativen von BIG ein „Dorf zum Spielen und Lernen“ errichtet. Weiß-verschalte Betonkuben sind dafür wie von Kinderhand zu einem Gebäudekomplex zusammengewürfelt, die sich farbig beleuchten, einzeln oder gemeinsam nutzen lassen. Außerdem führen sie alle nach draußen – als würden sie sagen wollen: „Los Kinder, geht raus spielen!“

Selbst als Bjarke Ingels vor einiger Zeit einen gigantischen Bauauftrag in New York City für einen ganzen Block am Hudson River bekam, hat sich der Architekt nicht einschüchtern lassen und seinem Humor auch dort ein Denkmal gesetzt: Denn das Gebäude, dass er in West Chelsea errichtete, erinnert an zwei torkelnde Pyramiden, die sich aberwitzig gegen Himmel schrauben. Für ein anderes Projekt in New York City, dem bereits mehrfach prämierten Hochhaus „Via 57“, wagte sich der Kopenhagener sogar erstmals an die Grenzüberschreitung von der Architektur hin zum Produktdesign und entwarf in Kooperation mit dem Hersteller Fritz Hansen den Sessel „Via 57“. „Einen Sitzsack auf Beinen“ hätte er sich vorgestellt, sagt Bjarke Ingels. Und gesteht dann, wie kompliziert es war, ein Möbelstück zu entwerfen.

Der Charakter eines Gebäudes

Aber genau solche Experimente und technischen Herausforderungen liebt Ingels. Er kann stundenlang von der Skischanzenartigen “Dachwand“ sprechen, die er mit seinem Team für das „Via 57“-Gebäude in New York erdachte und die sie an den Rand des statisch Möglichen brachte. Und er ist besonders stolz auf seine nachhaltigen Gebäude, die Sonne oder Wind in Energie umwandeln. „Ich mag es, wenn Gebäude Charakter haben“ sagte Bjarke Ingels lässig in einem Interview, auf die Frage, was denn nun sein Stil sei. Ein klassisches Label würde er sich selbst aber nie geben.

 

Während manche seiner Gebäude dekonstruktivistisch wirken, sind andere minimalistisch. „Symmetrischer Aufbau, asymmetrische Unterteilungen“ fasst Bjarke Ingels sein Gestaltungs-Rezept zusammen und übergeht dabei ganz nonchalant das, was seine Entwürfe so genial macht: Ihre Tiefe und Komplexität. Denn egal ob es sich um sozialen Wohnungsbau handelt oder ein nachhaltiges Museumsgebäude: BIG will mit ihnen Geschichten erzählen. Geschichten, die vom ganz alltäglichen Leben handeln aber auch von himmelsstürmenden Visionen.